Erste Schritte im privaten Umfeld
Zum Erstellen eines Stammbaums (Zusammenstellung
aller Nachfahren einer Person) oder einer Ahnentafel (Zusammenstellung aller
Vorfahren), ist es wichtig, zuerst alle Informationen zusammenzutragen, die in
der Familie und bei nahen Verwandten zu finden sein könnten. Bis zu Großeltern
sollten die Daten zu Geburtstagen, Hochzeiten und Todesfällen so recht einfach
zu erhalten sein. In fast jeder Familie findet sich ein „Buch der Familie“ aus
den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Dort sind die
familienbezogenen Daten zurück bis ca. 1900 enthalten, auch mit Angaben zu
Ortschaften. Denn wichtiger als genaue Datumsangaben sind die Angaben zu Orten,
Standesämtern und Kirchengemeinden. Wenn eine Spanne von +/- 5 Jahren zu
durchsuchen ist, ist dies problemlos zu bewältigen. Aber ohne Kenntnis eines
Ort bestehen kaum Chancen.
In vielen Familienbüchern sind auch Angaben
enthalten, die bis in die Mitte des 19 Jh. zurückreichen. Diese Daten haben
aber keinen Primärquellen-Charakter, sind also nicht amtlich. Gelegentlich sind
Ahnenpässe oder ganze Stammbäume, die vermehrt im 3. Reich erstellt wurden,
erhalten geblieben. Amtliche und kirchliche Angaben in Familienbüchern und
Ahnenpässen haben Primärquellencharakter. Alle weiteren Unterlagen sollte man,
falls noch möglich, extern überprüfen.
Primär- und Sekundärquellen
Entgegen einer verbreiteten Meinung ist durch
den 2. Weltkrieg weniger familiengeschichtlich relevantes Material zerstört
worden, als man annehmen könnte. Viele Archive und Archivmaterialen aus
Ostpreußen sind heute in Deutschland als Original oder verfilmte Kopie
zugänglich oder liegen in polnischen, litauischen oder russischen Archiven.
Kreisvertretungen
Für die Zeit kurz vor dem Ende des letzten
Krieges sind die Kreisvertretungen der ehemaligen ostpreußischen Kreise ein
sehr guter Ansprechpartner. Diese haben nach dem Krieg in vielen Fällen Listen
von ehemaligen Bewohnern (Seelenlisten) erstellt oder haben noch bis heute
Kontakte zu diesen. Internetadressen haben z.B.
Kreis Fischhausen,
Kreis Wehlau, Kreis Labiau und die Stadt Königsberg.
Viele weitere Kreise sind
ebenfalls vertreten oder sind auf dem Postwege zu erreichen.
Adressbücher / Einwohnerbücher
Für größere Städte werden seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts Einwohnerbücher, Adressbücher oder Einwohneradressbücher geführt.
Für Landkreise ist dies seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts verstärkt
durchgeführt worden. Die Bücher umfassen das Haupt der Familie (meist der
Vater) und Angaben zur Adresse (Straße, Hausnummer) oder der Ortschaft. Während
in den Städten oft jährliche Listungen durchgeführt wurden, sind zu
Landgemeinden meist nur ein oder zwei Jahre vor 1945 vorhanden. In Königsberg
sind von ca. 1850 bis 1944 alle Adressbücher erhalten. Für Ostpreußen sind für
die meisten Kreise entsprechende Bücher vorhanden und in Einzelfällen online durchsuchbar.
Vollständig einzusehen sind die Bücher für das
Gebiet Ostpreußen mindestens in den Staatlichen Bibliotheken in Berlin (Unter
den Linden und Potsdamer Platz). Je weiter man sich von Brandenburg entfernt,
umso seltener werden diese Bücher in Bibliotheken geführt.
Volkszählung
Im Jahre 1939 wurde eine detaillierte
Volkszählung durchgeführt, deren Daten, nach Regionen und Ortschaften sortiert
vorliegen. Die Daten der Volkszählung (Ergänzungskarte II) sind digitalisiert
und befinden sich im Bundesarchiv Berlin. Zu nichtjüdischen Einwohnern sind aber keine Unterlagen
erhalten. Unterlagen zu früheren Volkszählungen sind nicht überliefert.
Standesämter
Seit der Einführung von Standesämtern in Preußen
1874, werden Geburten, Hochzeiten und Todesfälle per Gesetz dort erfasst. Erst
seitdem ist die Schreibweise des Familiennamens streng festgelegt. Davor sind
z.B. Möller, Müller und Miller oder Steincke, Stenke, Stehncke im Prinzip
identisch.
Alle Standesamtsunterlagen in Deutschland, die
aus Ostpreußen gerettet werden konnten, liegen heute im Standesamt Nr. 1 in Berlin.
Da für Ostpreußen nur wenige Unterlagen aus Standesämtern vorliegen, ist die
Zeit von 1875 bis 1945 meist nicht mit Primärquellen belegt und muss
anderweitig überbrückt werden.
Das Standesamt Nr. 1 erteilt auf schriftliche
Anfragen Auskünfte, falls diese zu eng verwandten Personen erbeten werden. Ein
Bestandsverzeichnis kann in jedem Standesamt eingesehen werden. Die Angabe des
gesuchten Standesamtes und eines Datums (oder Jahres) sind nötig. Die
Bearbeitungszeit beträgt ca. ein Jahr. Die Standesämter Königsberg I - IV sind
stark vertreten. Mit Lücken von mehreren Monaten muss aber gerechnet werden.
Dazu kommen einige Vororte Königsbergs. Aus dem Samland selbst ist wenig erhalten.
Zum restlichen Ostpreußen ist festzustellen, dass die wenigen Bestände
scheinbar wahllos aus den ehemaligen Kreisen in Berlin vorliegen.
Standesamtsunterlagen sind offizielle staatliche
Quellen und meist in Maschinenschrift oder guter Handschrift in Vordrucken
abgefasst. Sie sind vollständig, d.h. jede Geburt, Hochzeit oder Beerdigung im
Bereich des StA ist vermerkt. Bei Einträgen, die nach Ostpreußen verweisen, ist
die Schreibweise der Ortsnamen nicht immer korrekt, u.a. da die Ortsnamen kaum
noch gebräuchlich sind.
Die Standesamtsunterlagen verweisen alle auf die
Herkunft der genannten Personen, so bei Geburten auf die Eltern, bei Hochzeiten
auf die jeweiligen Geburten und bei Todesfällen ebenfalls auf die Geburt sowie
auf den Ehegatten, was eine zielsichere Recherche erlaubt.
Kirchenbücher
Seit der Reformation werden in den einzelnen
Gemeinden Kirchenbücher geführt. Im evangelischen Ostpreußen wurde dieser
Prozess verzögert, so dass die ersten Kirchenbücher um 1580 beginnen. Durch die
Einwirkung von Kriegen (vor allem 1. Weltkrieg) und durch die Jahrhunderte
hindurch sind viele Kirchenbücher vernichtet worden. Mit Herannahen der
Ostfront wurden im 2 Weltkrieg viele Kirchenbücher gesammelt und zentral in
Mitteldeutschland gelagert. Ein Feuer hat in diesem Lager großen Schaden
angerichtet. In Ostpreußen sind in den dreißiger Jahren großflächige
Verfilmungen der Kirchenbücher durchgeführt worden. Die Verfilmungen beginnen
mit den ältesten Büchern und enden vielfach 1874. Oft wurde die Verfilmung aber
schon früher (um 1810) beendet, da die Kirchenbuchduplikate dort begannen.
(Duplikate wurden ab ca. 1800 von den Kirchen angefertigt und in den
zuständigen staatlichen Stellen hinterlegt). Die Mikrofilme sind quasi
vollständig erhalten.
Im nördlichen, russischen Teil sind heute keine
Bestände bekannt. Im südlichen, polnischen Teil sind die Kirchbücher zentral in
den Kreisarchiven gesammelt worden, da es dort nur mehr katholische, aber kaum
noch evangelische Gemeinden gibt. Ein persönlicher Besuch in Polen kann Ihnen
Einsicht bringen, rudimentäre Kenntnisse der polnischen Sprache oder zufällig
Deutsch sprechende Einheimische vorausgesetzt.
Die Kirchenbücher können im Evangelischen Zentralarchiv Berlin, im SächsischenStaatsarchiv Leipzig (Ehemalige Deutsche Zentralstelle für
Genealogie) oder in jeder Niederlassung der LDS-Kirche eingesehen werden. Die Bestandsverzeichnisse liegen vor Ort aus und
sind zum Teil käuflich zu erwerben. Die Internet-Seite der LDS-Kirche bietet
eine fast erschöpfende Übersicht der noch vorhandenen Kirchenbücher. Ebenfalls
zu empfehlen ist eine Übersicht bei Genwiki.
Die Kirchenbuchunterlagen sind offizielle
kirchliche Quellen. Ältere Einträge verlieren aber an Genauigkeit, was die
Nennung und Schreibweise der Vor- und Zunamen sowie die Herkunft und Alter der
Betroffenen angeht. So kann zur Beerdigung z.B. nur „ein Kindchen aus
Puschdorf“ stehen. Auf der anderen Seite entwickelten Pfarrer die Tendenz,
längere Passagen zu sonderbaren Gegebenheiten, z.B. seltsame Todesfälle, zu
schreiben, die das Leben der Ahnen etwas plastischer erscheinen lassen können.
Im Preußen unter Friedrich dem Großen wurden 1765 die Kirchenbücher per Gesetz
stark aneinander angeglichen und deren Inhalte normiert und im Gegensatz zu
früheren Gepflogenheiten erweitert.
Im Gegensatz zu Standesamtunterlagen enthalten
die Kirchenbücher kaum Hinweise, die in die Vergangenheit der Personen weisen.
Oft sind diese nur bei Hochzeiten durch einen Verweis auf die Namen der Eltern
gegeben. Man kann somit nicht immer schlüssig weiter in die Vergangenheit
vordringen und muss Verwandtschaften vielfach aus „Mangel anderer Möglichkeiten“
folgern.
Beim Umgang mit Kirchenbüchern sind vielerlei
Dinge zu beachten. So ist prinzipiell mit fehlenden, falschen und
missverständlichen Informationen zu rechnen. Die z.T. schlecht lesbaren
Handschriften tun ein Übriges. Um eine gewisse Sicherheit zu haben, dass die
Stammbaumerstellung richtig ist, müssten die Kirchenbücher eigentlich
vollständig durchgesehen werden. Auf der Suche nach einer Geburt aufzuhören,
wenn man einen Eintrag mit richtigen Vor- und Nachnamen gefunden hat, ist
unseriös, denn bei der geringen Anzahl an verwendeten Vornamen ist die
Möglichkeit groß, dass ein paar Jahre zuvor ein Kind mit selbem Namen getauft
wurde.
Kirchenbuchduplikate
Zweitschriften vor 1875 sind im GeheimenStaatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin und im Evangelischen
Zentralarchiv Berlin einzusehen. Soweit bekannt, sind dort
Duplikate fast nur aus dem Samland erhalten.
Die Zweitschriften der Kirchenbücher lagerten
üblicherweise in den zuständigen Amtsgerichten.
Ortsfamilienbücher
Seit über hundert Jahren wird versucht,
Ortsfamilienbücher (auch Ortssippenbücher) zu einzelnen Gemeinden zu erstellen.
Dabei werden die überlieferten Kirchenbücher, Duplikate und private Unterlagen
(ggf. auch Standesamtsakten) vollständig ausgewertet.
Archive
Das Staatsarchiv Königsberg konnte in seinen
älteren Beständen fast vollständig gerettet werden. Es befindet sich jetzt in
Berlin, als Teil des Geheimen Staatsarchives Preußischer Kulturbesitz.
Dort ist ein fast unerschöpflicher Aktenbestand vom Beginn der Eroberung
Preußens durch den Deutschen Orden versammelt. Wichtige Sekundärquellen sind
hier Urkundenbücher, Bestandsverzeichnisse und Sonderschriften verschiedener
Vereine. Einige der Unterlagen wurden von der LDS-Kirche verfilmt.
Als Ergänzung zu Kirchenbüchern, als wichtige
Quelle vor dem Beginn der Kirchenbücher oder aber als einzige Quelle, falls
Kirchenbücher nicht mehr erhalten sind, sind die Bestände unerlässlich.
Weitere Archive sind durchaus ebenfalls noch
erhalten. So soll sich Archiv der Universität Königsberg in Allenstein
befinden. Anfragen dorthin können in deutscher Sprache verfasst werden. Die
Antworten sind polnisch.
Das als wichtigstes Archiv für Ostpreußen
genannte Geheime Staatsarchiv PK in Berlin ist keineswegs geheim. Quasi alle
Bestände dürfen im Original eingesehen werden. Das Königsberger Archiv gehört
zur Hauptabteilung XX. Familienkundlich besonders wichtig sind dort die
Prästationstabellen und Mühlenlisten (Einwohner- und Grundbesitzlisten,
beginnend ca. 1740) [HA XX, PT], die Unterlagen des Etatministeriums (nach
Regionen geordnete Sammlung von Unterlagen, beginnend vor 1600) [HA XX, EM] und
Handvesten- und Hausbücher (Gründungsurkunden der einzelnen Ortschaften, inkl.
Nennung der ersten Besitzer, beginnend mit der Besiedelung Preußens) [HA XX,
Ostpreußische Folianten].
Bestellungen von Archivmaterial können online
vorab erfolgen. Bestellungen vor Ort benötigen wenige Stunden oder mehrere
Tage, bis sie im Lesesaal vorliegen.
Die polnischen Archive öffnen sich verstärkt
auch über das Internet. In den online-Datenbanken sind viele deutsche
Unterlagen zu finden. Die online verfügbaren Datenbanken im Allensteiner Index aufbereitet. Als Schlagworte sind
vorzugsweise zu die DEUTSCHEN Orts-Namen zu verwenden, aber auch die polnischen
Namen führen meist zum Ziel. Grundbücher, Kirchenbücher, Standesamtsunterlagen
und viele weitere Einzelfunde sind hier zu finden.
Russische Archive sind eher unzugänglich.
Das Kaliningrader Staatsarchiv ist
sicherlich keine Hilfe. Die Deutsche Botschaft in Moskau teilte mit, dass im
nördlichen Ostpreußen keine personenbezogenn Unterlagen aus der Zeit vor 1946 in den dortigen Archiven vorhanden sind.
Das Moskauer Sonderarchiv hat zumindest offiziell deutsche Unterlagen.
Sekundärquellen
Seit der Zeit vor dem letzten Krieg haben sich
Einzelpersonen und Vereine damit beschäftigt, handschriftliche Originale
vornehmlich aus dem 17. bis 19. Jahrhundert in Maschinenschrift zu übertragen
und zu bearbeiten. Dies betrifft vor allem Quellenmaterial, das eine Vielzahl
an personenbezogenen Daten enthält. So entstanden Kopien von
Prästationstabellen, Kirchenbüchern, Einwohnerlisten und
Steuerunterlagen. Einige davon sind als Buch erschienen, meist aber wegen
kleiner Auflage längst vergriffen. Aktuelle Tendenzen gehen dahin, gedruckte
Werke des 20. Jahrhunderts per Computer zu erfassen oder einzuscannen, um sie
auch im Internet zu veröffentlichen.
Besonders erwähnenswert ist das Projekt, die
Unterlagen zur Türkensteuer (um 1540) in einer
mehrbändigen Buchreihe zu veröffentlichen. Bis auf die (drei Städte) Königsberg
ist dort bis auf wenige andere Lücken die männliche erwachsene
Gesamtbevölkerung repräsentiert.
Landkarten / Ortsnamen
Die Region Ostpreußens ist heute durch polnische
und russische Landkarten abgedeckt, in beiden Fällen nur mit aktuellen Namen,
wobei es Polen überwiegend zu Übersetzungen und Übertragungen der deutschen
Namen kam. In Russland haben heutige Namen nichts mehr mit den alten
Bezeichnungen gemein.
Alte deutsche Landkarten sind bis zu einem
Maßstab von 1:25.000 sind problemlos z.B. beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie zu bestellen. Einie polnische Internet-Seite zeigt umfangreiches Material online.
Die Ortsnamenänderungen (meist um 1938) wirken
sich heute oft nachteilig aus, da die meisten Landkarten die neueren Namen
enthalten, während in den anderen Unterlagen die älteren Schreibweisen
vorkommen. Ortsverzeichnisse sind bei Kartenmeister und beim Verein für Computergenealogie zu finden.
Historische Karten finden sich meist in den
Berliner Archiven und Bibliotheken. Eine hervorragende Quelle ist die um 1802
erstellte Schroetter Karte (1:160.000), die die Ortschaften Ost- und
Westpreußens sowie angrenzender Gebiete nennt. Diese ist über den Franz Steiner
Verlag, Stuttgart für 54 Euro zu beziehen. Interessanter ist die
detailgetreuere Version (1:50.000), die auch andere Varianten der Ortsnamen und
Angaben zur Anzahl der Haushalte macht.
Internet
Das Internet bietet eine unübersehbare Vielfalt
an familiengeschichtlich relevanten Seiten und Daten. Die Eingabe eines
gesuchten Nachnamens in einer Suchmaschine bringt in fast jedem Fall ein
Ergebnis. Aber nicht alle Dienste im Internet kann man so durchsuchen. Die
wichtigste Quelle im Internet ist momentan die Seite der LDS-Kirche. Diese in
englischer Sprache gehaltene Seite ist eine Sammlung von personenbezogenen
Daten, die Privatpersonen und Organisationen auf der ganzen Welt
zusammengetragen haben. Ebenso sind eine unglaubliche Menge an Kirchenbüchern
verfilmt worden. Die Herkunft und Zeiträume dieser Unterlagen sind online
recherchierbar.
Daneben sind im Internet viele weitere, auch
online durchsuchbare Archive zu finden, so z.B. das der Kriegsgräberführsorge,
des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen und des Vereins für Computergenealogie sowie ein privates Archiv zur Sammlung von Gefallenenlisten. Das Internet ist als reine Sekundärquelle zu sehen. Auch hier gilt,
dass man Daten an den Primärquellen überprüfen und/oder auf den Seitenbetreiber
für Hintergrundinformationen zugehen sollte.
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