Seit 1991 ist das Gebiet des nördlichen
Ostpreußens wieder für Touristen geöffnet. Diese Seite soll vor allem
Individual-Reisenden einige Hinweise darüber geben, was man dort erwarten kann,
womit man rechnen muss und wie man mit der Administration vor Ort umgehen
könnte. Die folgenden Angaben beruhen auf Erfahrungen mehrerer Reisen in dieses
Gebiet zwischen 1995 und 2010.
Allgemein
Das nördliche Ostpreußen, heute „Kaliningrader
Gebiet“ oder „Sonderwirtschaftszone Bernstein“ hat mit dem, was bis 1945
darunter zu verstehen war nur mehr wenig zu tun. Die historische Tradition ist
vollständig unterbrochen worden. Bis auf wenige Personen, die kurz nach dem
Krieg mit russischen Soldaten Ehen eingingen (1970 offiziell noch über 1000),
sind nach 1947 keine Deutschen mehr verblieben. Öffentliche Organisationen und
Kirchgemeinden stehen ebenfalls nicht mehr mit den vormaligen Deutschen in
Zusammenhang. Es ist nicht zu erwarten, dass Privatreisende alte Dokumente und
Unterlagen finden oder erhalten können. Die Nutzung des Landes, von Gebäuden
und Infrastruktur ist den russischen Bedürfnissen angepasst worden. Kirchen
sind z.B. meist als große Gebäude angesehen worden, die als Betriebe oder
Lagerhallen verwendet werden. Im Allgemeinen ist festzustellen, dass die
Situation für einen Erstbesucher meist bedrückend ist. In letzter Zeit mehren
sich die Hinweise darauf, dass sich unter Einsatz erheblicher finanzieller
Mittel ein gewisser Aufschwung abzeichnet, der sich vor allem auf Kaliningrad
selbst beschränkt.
Reisezeit
Wenn das Ziel der Reise ist, Spuren der Vergangenheit zu suchen und zu
finden, empfiehlt sich der April. Die Tage sind schon lang genug, aber vor
allem sind die Insekten (Mücken, Bremsen) noch nicht aktiv. Weiterhin ist das
Wachstum von Unkraut oder Büschen noch so gering, dass man nahezu alle Orte gut
betreten kann. Später im Jahr bilden vor allem die übermannshohen Unkräuter
große Hürden.
Wenn das Ziel der Reise ist, die Reste der
Kultur und die Landschaft zu genießen, sei dagegen der Hochsommer empfohlen,
denn allein das Grün der Vegetation macht den allgemeinen Verfall erträglicher.
Insektenschutz ist unbedingt in reichlicher Menge mitzuführen.
Ein- und Ausreise
Mit organisierten Gruppenreisen ist das
nördliche Ostpreußen per Bus, Bahn, Schiff oder Flugzeug erreichbar.
Individualtouristen sei ein Auto empfohlen, das mit guten Sommerreifen oder
Winterbereifung ausgerüstet ist. Die Straßen sind zwar meist in erträglichem
Zustand, Nebenstrecken verlieren sich aber oft im Nirgendwo. Selbst Strecken zu
historischen Stätten wie Balga sind nur in Schritttempo zu befahren.
Für die Einreise ist ein Visum erforderlich und
für dieses wiederum eine verbindliche Hotelbuchung. Beides kann von
verschiedenen Reisebüros bezogen werden. Individualisten, die sich das Visum
selber beschaffen wollen, brauchen mindestens die Bestätigung eines Hotels. Ein
Hotel mit bewachtem Parkplatz empfiehlt sich. Zentral und gut als Ausgangspunkt
ist das Hotel „Baltisk“ an der ehem. Reichsstraße 1 östlich von Königsberg. Ein
hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis bietet das Gästehaus Albertina, in
dem auch das deutsche Konsulat untergebracht war. Grenzübergänge sind bei
Braunsberg (Braniewo) oder Pr. Eylau (Bagrationowsk) zu finden. Die Autobahn
Elbing-Königsberg wird erst im Verlaufe von 2010 freigegeben werden. Die
Einreise dauert erfahrungsgemäß nur ein bis zwei Stunden. Vorzuzeigen sind
Reisepass, Fahrzeugschein und Führerschein. Eine Autoversicherung kann vor Ort
abgeschlossen werden (kurz außerhalb der Grenzzone auf russischer Seite, z.Zt.
25 Euro). Sie ist für die Einreise nicht nötig, aber dringend zu empfehlen.
Versicherungsbüros sind auch in größeren Orten zu finden.
Die Ausreise erfordert dagegen deutlich mehr Zeit und auch Nerven. Sie
sollte am Tag der Ausreise früh begonnen werden. Offenbar wird die Ausreise von
polnischer Seite gezielt verlangsamt, um den „kleinen Grenzverkehr“
einzudämmen. Auf der russischen Seite gibt es zwei Spuren: für Russen und für
alle anderen Nationalitäten. Vermeiden Sie es, sich an der Schlange der
mehrheitlich polnischen Fahrzeuge anzustellen, denn eine Abfertigung von nur
ca. 5 Autos/Stunde ist keine Seltenheit.
Funktioniert haben folgende Möglichkeiten, die offenbar von sehr
subjektiven Dingen abhängen:
1. mit dem Reisepass in der Hand direkt an der ersten Schranke/Zaun
vorzusprechen.
2. Anstellen an der russischen Schlange. Das erzeugt auf jeden Fall Ärger,
bringt aber Bewegung bei den Verantwortlichen!
3. Zahlung von 50 Euro nachdem man darauf angesprochen wird.
Damit kann man durch die erste Schranke kommen.
Im ungünstigsten Fall ist auch die Fahrt zu einem anderen Übergang eine
Alternative. Es sei bemerkt, dass die meisten Autos mit deutschen
Nummernschildern Russlanddeutschen mit doppelter Staatsangehörigkeit gehören.
Diese verhalten sich ja nach Situation wie russische oder deutsche Reisende.
Selbst wenn man so in den Abfertigungsbereich
kommt, dauert der Übertritt noch ca. 4 Stunden. Kontrolliert wird auf Alkohol
(max. 1 Liter Brandwein oder 2 Liter Likör/Wein), Zigaretten (max. offenbar nur
wenige Schachteln), Parfüm, Drogen und auch Benzin. Das Ein-/oder Ausführen von
Gegenständen, die Zöllner nicht unbedingt sehen sollten, ist möglich. Eine
Tarnung, am besten im Kofferraum unter viel Gepäck oder im Müll der Reiseverpflegung
ist vorzuziehen. Der polnische Zoll durchsucht gelegentlich Autos komplett.
Die Durchquerung von Polen dauert mangels
Autobahnen deutlich länger, als man vermuten würde. Die Landstraßen sind nur
nachts schnell befahrbar. Überholt wird übermäßig oft und riskant. Es muss
damit gerechnet werden, dass der Gegenverkehr zum Überholen darauf vertraut,
dass Sie die äußersten Rand der Fahrbahn benutzen, um die Straße freizumachen.
Die Vielerorts aufgestellten stationären Blitzer haben offenbar keine Funktion.
Mobile Blitzer und Laserpistolen sind im Einsatz.
Mit dem Auto unterwegs
Prinzipiell können Sie versuchen, jeden Punkt im
Land zu erreichen. Wenn es dagegen von staatlicher Seite Einwände gibt, werden
Sie es schnell merken. Man wird Sie dann freundlich bitten, umzukehren. Im
Allgemeinen sind die Beamten höflich, die Soldaten überschwänglich nett, wenn
Sie eine Schachtel Zigaretten für sie haben (kein Alkohol!), die Polizisten
herrisch und korrupt und die Geheimdienstler reserviert. Verkehrskontrollen sind
auf ein normales Maß zurückgegangen. Videokontrollen werden durchgeführt. Es
empfiehlt sich, die Höchstgeschwindigkeit einzuhalten, bei Stopp-Schildern
unbedingt vollständig zu bremsen und einige Sekunden stehen zu bleiben, nicht
Alkohol zu trinken und alle Papiere parat zu haben. Bei Vergehen gegen die
Straßenverkehrsordnung sind Geldstrafen (moderat) oder kurzfristiger
Führerscheinentzug möglich. Im ersten Falle ist das Geld auf einer Bank
einzuzahlen (aktuell: Sber-Bank), im letzten Falle ist der Führerschein in
Kaliningrad einen Tag später abholbar (zu Fuß). In beiden Fällen ist die
Erstellung von Protokollen oder das Zahlen von Schmiergeld möglich. Man wird
Ihnen meist in umständlichen Gesten andeuten, dass das (Schmier-)Geld formlos
irgendwo abzulegen wäre. Prinzipiell ist Schmiergeldzahlung verboten, man
sollte somit vorsichtig agieren.
Fahren Sie immer so, dass Sie die Straße gut
einsehen können. In weniger besiedelten Gebieten kommt es gelegentlich zu
unterspülten Straßen, fehlenden Brücken und anderen Unwägbarkeiten. Tiefe
Löcher auch auf neuen Straßen sind möglich! Die Straßen in Kaliningrad sind
besonders durch die Straßenbahnschienen, die sich deutlich aus dem Niveau der
Straße erheben, eine schwere Prüfung für Fahrer und Auto. Im Zentrum der Stadt
ist am Tage meist Stop-and-Go-Verkehr.
Sperrgebiete
Nicht alle Gegenden sind frei zugänglich. Die
Grenzregion zu Polen und zu Litauen (Pagranischnaja Sona) ist eigentlich nur
mit Genehmigung zu betreten. Die Zonen werden mit großen blauen Schildern markiert
(auch auf Englisch). Es empfiehlt sich, vorab beim Reiseveranstalter eine
Genehmigung zu beantragen. Es scheint keiner weiteren Genehmigungen mehr zu
bedürfen, um auch besonders unzugängliche militärische Manövergebiete zu
betreten (speziell das größte östlich von Schloßberg). Falls doch, ist
sicherlich neben der Genehmigung durch die Grenztruppen (Federalnaja
Pagranischnaja Sluschba) auch die des Inlandsgeheimdienstes FSB nötig. Erstere
erhalten Sie in Insterburg am nordöstlichen Stadtrand. Dort ist auf der rechten
Seite nach einem Eisenbahn-Betriebshof das Kommando der Grenztruppen; zu
erkennen an einer Betontreppe direkt an der Straße, die ins dortige
Pförtnerhaus führt. Links befindet sich ein Parkplatz. Mit der dort
erhältlichen Erlaubnis müssen Sie zurück in die Stadt. Das Büro des FSB
befindet sich nördlich des Marktplatzes etwas versteckt.
Die Kurische Nehrung ist als Naturschutzgebiet
gesperrt, aber gegen eine recht hohe Gebühr zugänglich. Im Zweifelsfall gelangt
man überall hin. Im Vergleich zu früheren Reisen ist festzustellen, dass immer
mehr Straßen in abgelegenen Gebieten willentlich für normale PKW unpassierbar
gemacht werden. Das Mitführen von Schneeketten kann helfen. Auch ein Fahrrad
hilft, wenn das Auto nicht mehr weiterkommt. Pillau ist seit 2010 auch ohne
besondere Genehmigungen zu betreten.
Orientierung
Unbedingt mitzunehmen sind gute Landkarten.
Neben einer Übersichtskarte in russischer Sprache (1:300.000) benötigen Sie
mindestens die alten deutschen Karten im Maßstab 1:100.000, besser natürlich
die Messtischblätter 1:25.000, mit denen man fast jedem Ort wieder finden kann.
Diese Karten sind im Internet bequem bestellbar und die Messtischblätter auch
online. Weiterhin sind die sowjetischen Generalstabskarten von
kartenmeister.com zu empfehlen. Google Earth bietet vielfach eine so gute
Auflösung, dass man sich vor Ort an einzelnen Bäumen und Sträucher orientieren
kann. Die Straßenführung ist in den meisten Fällen die aus der deutschen Zeit,
die Qualität hängt von der heutigen Nutzung ab. Die Straßen sind meist die
einzige Orientierung. Daneben sind Dorfteiche, Waldgrenzen und Flussläufe
entscheidend. Ortschaften sind vielfach vollständig entfernt oder an anderem
Ort wieder errichtet worden. Einstige Dörfer oder sogar Städte sind heute
Waldgebiete oder Ödlandschaften. So ist das historische Zentrum von Fischhausen
heute eine Wiese vor der neuen Stadt. Besonders von dieser Situation betroffen
sind die Landstriche am Ostfluss und das Gebiet westlich von Königsberg (durch
den letzten Krieg) sowie die großen Waldgebiete und Niederungen, die kaum noch
bewohnt sind. Ein GPS-Gerät ist, auch wenn es nur die Koordinaten anzeigen
kann, ein verlässlicher Helfer zum Aufsuchen von ehemaligen Ortschaften.
Sonstiges
Einkaufs- und Tankmöglichkeiten sind in den Städten und auf dem Land
auf gutem Niveau. Benzin ist nur halb so teuer wie in Deutschland und Polen.
Die Vorwahl für Deutschland ist 81049 (statt 0049).
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